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Einige Bemerkungen zu Ralph Giordanos Kritik am geplanten Bau einer Zentralmoschee

Soviel Wirbel hatte es lange nicht um einen Beschluss des StudentInnenparlaments gegeben:
Wir hatten einen Antrag eingebracht, der den jüdischen Holocaustüberlebenden Ralph Giordano vor absurden Rassismusvorwürfen und Morddrohungen in Schutz nahm – mit den Stimmen der unpolitischen AStA-Gruppen wurde der Antrag angenommen. Giordano hatte sich im Kölner Stadtanzeiger gegen den Bau einer Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld ausgesprochen und war dafür ordentlich abgewatscht worden. Die taz etwa behauptete, er habe »Franz Schönhuber […] rechts überholt«(1); der Kölner Stadtrat Claus Ludwig (Gemeinsam gegen Sozialraub/Die Linke) fand seine Aussagen »aggressiver als die faschistische Truppe pro Köln«(2) und denunziert Giordanos Bemerkungen als »rassistische Ausfälle«(3).
Ludwig, der sich in der Vergangenheit nicht davor gescheut hat, Seite an Seite mit der terroristischen Hisbollah gegen Israel zu demonstrieren, legte in einem Interview mit der Jungen Welt nach und unterstellte Giordano, er mache die rassistische Bürgerbewegung pro Köln, die mit völkischen, nationalistischen Argumenten ebenfalls gegen den Moscheebau mobil macht, »hoffähig« und pöbelte, die AntragstellerInnen würden »den jugendlichen Migranten die Verantwortung für ihre Benachteiligung bei Bildung und Jobs zuschieben wollen«(4).
Er stellt sich damit an die Seite all jener Kölner Antifa-AktivistInnen, die Giordano vor wenigen Jahren noch auf jede Anti-Nazi-Demo gezerrt hatten und jetzt über den doofen, alten Mann spotten, der nach rechts gedriftet sei.
Was das oberflächliche Auge mit deutschtümelnden Ausfällen verwechselt, enthält jedoch einige Argumente, deren nähere Betrachtung lohnenswert ist:
Das Grundrecht auf Religionsfreiheit wird nicht angetastet. Es gibt in Köln so genannte Gebetsräume, in denen der muslimische Glaube ausgelebt werden kann. Die Moschee in Ehrenfeld soll dagegen zusätzlich ein Ort des gesellschaftlichen Lebens werden: politische und kulturelle Veranstaltungen sollen stattfinden, Geschäfte und Schwimmbäder eingerichtet werden. In letzteren herrscht strenge Geschlechtertrennung: Frauen, die sich mühevoll erkämpft haben, öffentlich, selbstverständlich gemischt geschlechtlich, Bäder aufzusuchen, geraten dann unter Legitimationsdruck.
Doch es wird nicht nur zwischen einer patriarchalen, männlichen und einer entsexualisierten, weiblichen Welt unterschieden, sondern auch zwischen außen stehender westlicher, moderner und innerhalb der Moschee kultivierter islamischer Gesellschaft. So ist es durchaus nicht abwegig von einer Parallelgesellschaft zu sprechen, wenn man ein Auge wirft etwa auf die Bildungsangebote der Trägervereine, die eben keine religiösen Gemeinschaften sind, sondern, wie im Falle der Ehrenfelder Bauherrin Ditib e.V., ein von der türkischen Regierung eingesetztes Organ. Ein Blick in deren Selbstdarstellung offenbart ein weitreichendes Bildungs und Kulturangebot, dass wohl kaum jemand als Beiwerk zu religiöser Aktivität verstehen wird.
So ist Giordanos Sorge, »Imame und Verbandsfunktionäre« würden jungen Leuten »Standards der Demokratie wie Koedukation, Sexualunterricht, gemischten Sport, Klassenfahrten, Geschlechtergleichheit verweigern«(5), zuzustimmen. Eine Vereinigung, die also ein ganzheitliches Erziehungsprogramm anbietet und zudem keine Probleme mit dem Kopftuch hat, kann nicht als gemäßigt oder gar liberal gelten.
Deren eher der Scharia als säkularisierten Grundgesetzen folgende Lehre wird also zur Ausbreitung antiemanzipatorischer, totalitärer Herrschaft beitragen und der individuellen Entfaltung des Individuums entgegenlaufen. Man braucht gar nicht ein derart zugespitztes Beispiel wie die Eröffnung einer vergleichbaren Moschee in Mannheim 1995, wo Übersetzungen von Hitlers Mein Kampf feilgeboten wurden, um die Gefahr totalitären Gedankengutes, das verbreitet wird, als realistisch anzunehmen.
Dass es auch anders geht, beweist beispielsweise der Anfang des Jahres gegründete »Zentralrat der Ex-Muslime«, der als einer der ersten Ralph Girodano solidarisch zur Seite trat. Moscheen seien »nicht einfach nur ein Ort spiritueller Glaubenspraxis, wie meist naiv unterstellt werde, sondern vor allem ein Ort politisch-weltanschaulicher Indoktrination und zum Teil auch antiwestlicher Konspiration«(6), teilen die IslamkritikerInnen mit. Wenige andere Einzelpersonen oder Gruppierungen zogen nach.
Die Resonanz an der Uni ist dagegen distanzierter: der Antifa-Arbeitskreis des AStA stellt sich an die Seite der MoscheebefürworterInnen und fordert lediglich eine »emanzipative Religionskritk« ein(7), nachdem er zuvor auf seiner Webseite einen Text aus der Jungle World dokumentiert hat, in dem Giordanos Kritik als »müffelt schwer nach deutschem Stammtisch« abgetan wird(8). Ein Mitglied der Gruppe Die Linke.SDS distanziert sich in der Jungen Welt von der ausdrücklich positiven Resonanz seiner Genossen im StudentInnenparlament (die Fraktion war Mitantragstellerin), die auch später in der Presse noch verstärkt wurde(9), und stellt in Beschreibung der eigenen Gruppe fest: »Manche, wie ich, sind dezidiert antizionistisch «(10).


(1) Daniel Bax: Dumme Pauschalisierungen in: die tageszeitungNr. 8278 vom 19. Mai 2007, Seite 12.
(2) Claus Ludwig: Moschee-Debatte: Wer hat Ralph Giordano an die Front geschickt? auf: www.gemeinsam-gegen-sozialraub.de.
(3) ebenda
(4) Claus Ludwig im Gespräch mit Markus Bernhardtin Junge Welt vom 13. Juni 2007, Seite 8
(5) Ralph Giordano: Nein und dreimal nein! inFrankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. Juni 2007
(6) zitiert nach: hpd-online.de/node/2029, eingesehenam 6. November 2007
(7) koeln.antifa.net/aufrufehrenfeld.pdf, eingesehenam 6. November 2007
(8) Pascal Beucker: Mer wolle keine Moschee in Kölle.in Jungle World 23/07 vom 6. Juni 2007
(9) vgl. »Ich kritisiere auch den Alltagsislam« in JungleWorld Nr. 24/07 vom 13. Juni 2007
(10) Für breiten Dialog. Leserbrief an die JungeWelt in: Junge Welt vom 13. Juni 2007