+     Wahlen 2008

Großmäulige Forderungen, die sich für radikal und revolutionär halten, niederzuschreiben oder mit beharrlichem Desinteresse an allen Scheußlichkeiten des Alltags vorbeizuschauen, überlassen wir gern den anderen acht Gruppen, die sich mit uns um die 51 Sitze, die bei den Wahlen zum 54. StudentInnenparlament vergeben werden, streiten. Wir dagegen sind Studentinnen und Studenten, die die gesellschaftlichen Verhältnisse, und als Teil davon die an der Universität zu Köln, kritisieren, ohne uns dabei an den Baukasten für linke Hochschulpolitik zu halten. Wir laufen also nicht jedem beliebigen sozialen Protest hinterher, ergehen uns ebenso wenig in plattem Gepolter über Bonzen, Banken, Bertelsmann, noch imaginieren wir uns eine diffuse Form von Weltrevolution herbei, zu der linke Hochschulgruppen in der Vergangenheit herzlich wenig beigetragen haben. Auf der anderen Seite halten wir die distanzierte Politik, wie sie etwa die AStA-Fraktionen betreiben und die bürgerlich-konservativen Parteigruppen propagieren, keinesfalls für eine befriedigende Angelegenheit. Deren immer gleiche müde Forderung nach mehr Büchern, Lehrkräften und Klausurterminen hat in den vergangen Jahrzehnten nicht dazu geführt, dass sich weder die Situation an der Uni irgendwie verbessert hätte, noch dass Einschränkungen im Studienalltag aufgehalten worden wären. Der Habitus des amtierenden AStAs besteht darin, den sowieso schon nicht gerade viel freien Entfaltungsspielraum lassenden, Verhältnissen an dieser Universität auch noch mit vorauseilenden, freiwilligen Einschränkungen entgegen zu kommen. Beispielsweise manifestiert sich das dann in einer völlig unbegründeten Sparwut und Schalterbeamtenmentalität, was nicht gerade dazu beiträgt, an der Uni wahr und ernst genommen zu werden. So verwundert es nicht, dass auch in dieser Woche wieder viele erstaunte Gesichter, die noch nie etwas von AStA und StudentInnenparlament gehört haben, an den Wahlständen und flyerverteilenden AktivistInnen vorbei laufen werden. Ein Schaukasten mit vergilbten Zettelchen im Hauptgebäude und eine Hand voll repräsentativer Auftritte bei Veranstaltungen des Rektorats reichen eben längst nicht aus, um auch nur einen halbwegs passablen Bekanntheitsgrad zu erreichen. Dafür wäre es dann nötig, mal häufiger auf dem Campus aufzutauchen und den AStA vom plattgesessenen Bürosessel ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Das würde vielleicht auch dem eher vor sich hindümpelnden AStA-Café zu ein paar mehr Gästen verhelfen. Natürlich kann man sich als AStA-Gruppe über die gewonnene Wahl freuen wie der sprichwörtliche Bauer über die sprichwörtlichen Kartoffeln und vor lauter Freude vergessen, seinen Laden zu organisieren. Man kann aber auch einige nette Dinge tun. Das geht durchaus, ohne sich zurecht zu fantasieren, dass man hier gerade die Verhältnisse zum Besseren verändert, nur weil man an den Staat appelliert, dieses oder jenes Gesetz ein bisschen sozialverträglicher zu gestalten. Mit der beachtlichen Summe Geld, die aus einem Anteil der Semesterbeiträge, die alle Studis zahlen müssen, aufgebracht wird, könnte man beispielsweise ein schickes, kritisches Magazin herausbringen statt einem unansprechenden Blättchen mit langweiligen Texten, schlecht kopierten Bildchen der AStA-MitarbeiterInnen und – momentan sicher die beliebteste Rubrik – den Speiseplänen der verschiedenen Mensen, die das Studentenwerk so zu bieten hat. Gut verzichten können wir allerdings auch auf die alternativen Offerten, die linke Gruppen gern feil bieten: zusammenhangloses Polit-Geschwafel, platte Slogans der letzten fünfzig Jahre und Hetztiraden gegen vermeintlich böse, gierige Männer mit hohem Kontostand und eigenem Feriendomizil. Wenn es uns damit gelingt, gängige Klischeevorstellungen nicht zu befriedigen, ist uns das durchaus recht, gibt es doch Abziehbilder antiquierter Ideologien zur Genüge an der Kölner Universität. Es mag vielleicht für manche befremdlich klingen, mit Positionen für ein Parlament zu kandidieren, in dem man diese nicht wirklich umsetzen kann. Aber zum einen wollen wir weder uns noch anderen etwas in die Tasche lügen, noch wollen wir falsche Versprechungen machen, die wir eh nicht verwirklichen können. Natürlich wollen auch wir, dass es keine Studiengebühren mehr gibt oder dass Bachelor und Master durch wissenschaftliche Studiengänge ersetzt werden. Wir sind uns jedoch bewusst, dass etwa mit einer Willensbekumdung des StudentInnenparlaments Derartiges nicht aus der Welt geschafft werden wird.

Mad World

Nachdem die AStA-tragenden Gruppen Die Unabhängigen und Lust einen zünftigen Naziskandal und deswegen allerlei schlechte Presse am Hals hatten (ein Projektleiter im Öffentlichkeitsreferat hatte blühende Kontakte zu Freien Kameradschaften und Jungen Nationaldemokraten und schrieb für rechtsradikale Zeitungen), finanzieren sie als eine Art Gewissensbereinigung immer mal wieder Projekte, die in ihren Augen als antifaschistisch gelten. Beim wilden Herumgestocher in Gefilden, von denen sie keine Ahnung haben, gelingt es ihnen durchaus, neben allerlei faden oder kuriosen Unternehmungen, durchaus ab und zu, spannende Projekte wie etwa eine Vortragsreihe zum Thema »Antisemitismus« zu unterstützen. Vor allem aber wird damit das eigene Nichtengagement und die völlige theoretische Ahnungslosigkeit kaschiert: Ein paar schlechte Kopien altautonomer Parolen in der AStA-Zeitung Rückmeldung, wenn gerade mal wieder irgendwelche Kameradschaften durch Köln marschieren; ein dümmliches »Teamprogramm«, in dem deutsche Studis ausländische Studis betreuen können wie andere Leute ihr Haustier und ein paar uninspirierte Podiumsdiskussionen mit langweiligen Gästen, die zu langweiligen Themen langweilige Dinge erzählen – so sieht die unter dem Label »Integration, Internationales und Antidiskriminierung« zusammengefasste Arbeit des AStAs im Moment aus. Wo ein AStA beispielsweise mit wissenschaftlichen Veranstaltungen etwa einer Kritik an deutschen Kontinuitäten oder den Zumutungen des Islams Vorschub leisten könnte, schweigen die aktuellen AmtsinhaberInnen, weil man um beinahe jeden Preis vermeiden will, mit kontroversen Positionen anzuecken und gar kein Interesse daran hat, die Hochschule eben als Raum zu begreifen, an dem Menschen zu unterschiedlichen Facetten gesellschaftlicher Zustände miteinander ins Gespräch kommen, streiten und diskutieren können. Bisweilen treibt das Engagement des AStAs auch skurrile Blüten: Bildungspolitikreferent Frederik Fischer (Die Unabhängigen) kündigte im Studierendenparlament an, einen Referenten einladen zu wollen, der die Abschaffung der Verfassten StudentInnenschaft für eine prima Sache hält. So soll also jemandem Geld in den Rachen geworfen werden, der der Meinung ist, dass so ein AStA dieses Geld gar nicht haben darf. Eine Selbstbeschränkung der AStA-Angebote auf so genannte hochschulpolitische Themen halten wir schon deshalb für unsinnig, weil die Hochschule nun mal eine Einrichtung ist, die in das bestehende Gesellschaftssystem integriert und eben kein hermetisch abgeschlossener Raum ist, wie andere Hochschulgruppen immer wieder glauben machen wollen. Politische Entscheidungen von Landtagsabgeordneten, die Veränderungen an der Hochschulorganisation nach sich ziehen, stehen in einem größeren Kontext, den zu erschließen wir für eine Auseinandersetzung, will sie denn ernst genommen werden, unumgänglich halten. Außerdem sind es die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Hochschule, deren Forschungsarbeiten die Voraussetzungen für politische HandlungsträgerInnen liefern, diese oder jene Position zu vertreten und entsprechend auch nicht diejenigen, denen es in den Arsch zu kriechen gilt, sondern deren Arbeit Gegenstand der Beobachtung und Kritik einer Hochschulgruppe sein kann und soll. Die LiLi will deshalb einen AStA, der das Übel immer in Hinblick auf die Gesamtheit der Verhältnisse angeht und beispielsweise mit Seminaren und Vorträgen sich und anderen beim Analysieren und Verstehen helfen lässt. Aus einer reflektierteren Position heraus ist man so eher in der Lage, beispielsweise ein besseres Beratungsangebot für Migrantinnen und Migranten zu organisieren, als die Gruppen, die so etwas als werbeträchtiges »Service-Angebot« ansehen und zur Krönung noch mit Multi-Kulti-Suppenküchen garnieren. Versalzt man dann die daraus resultierende fade Brühe, etwa in dem man sich, wie wir, in die aktuelle Debatte um den Bau einer Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld einmischt, passiert bisweilen Überraschendes: VertreterInnen linker Gruppen werfen mit Rassismusvorwürfen um sich, weil sie eine Kritik etwa an frauenfeindlichen und homophoben Haltungen mit chauvinistischen Ressentiments, wie sie in jener Diskussion beispielsweise von der so genannten Bürgerbewegung pro Köln vertreten werden, verwechseln. Eine ernsthafte, ideologiefreie Beschäftigung mit einem Gegenstand wird in diesem Fall durch ein Aneinanderreihen von reflexhaften Floskeln ersetzt. Dabei wirkt das Geschrei, diesen Missstand »bekämpfen« oder ihn »angreifen« zu wollen, häufig eher wie das Verhalten von ein paar pubertierenden Jungs beim Kriegsspiel als ein gewinnbringender Debattenbeitrag. So richtig und wichtig es ist, an der Hochschule und darüber hinaus rassistische und faschistische Umtriebe ins Gespräch zu bringen, so unbefriedigend finden wir es, mit einem plumpen, aber sehr populären Argumentationsschema wie »Nazis raus« sämtliche Analyseversuche zu Gunsten eines fragwürdigen Konsenses zu ersticken. Indem man vor Problemen, wie etwa türkischem Nationalismus oder Burschenschaften und Studentenverbindungen an der Universität zu Köln nicht die Augen verschließt, sondern diese öffentlich zur Sprache bringt, schafft man sie natürlich lange nicht ab. Es bleiben zu lassen, ist unsere Sache jedoch nicht.

Party hard

Während an anderen Hochschulen Podiumsdiskussionen, Konzerte mit renommierten Bands, Vorträge, Lesungen oder Kabarettabende von den ASten organisiert werden, sucht man an der Kölner Uni danach vergeblich. Hier gibt es nur ein regelmäßiges Filmprogramm, das seit Jahrzehnten von ein und derselben Person organisiert wird, die mit der jeweiligen politischen AStA-Koalition gar nichts zu schaffen hat. Ansonsten wird hin und wieder mal eine miese Rumpelband zur Unterstützung von Protesten gegen Studiengebühren auf den Albertus-Magnus-Platz gestellt. Wo kleinere Provinzhochschulen über ein eigenes Kulturzentrum verfügen, teilt sich der Kölner AStA das »Unikum« gemeinsam mit der Studiobühne, was immer wieder zu einem totalen Organisationschaos und zur Einschränkung studentischer Möglichkeiten in den Räumen führt. Auch Fachschaften oder andere PartyveranstalterInnen müssen ihre Zeitvorstellungen an die des Theaters anpassen und sind so gezwungen auf individuelle Konzeptionen zu verzichten. Zudem bietet der Raum wenig Gestaltungsspielraum (in anderen Städten verfügen StudentInnenschaften etwa über Säle mit verschiebbaren Wänden) und eine antiquierte technische Ausstattung. Schallschutzvorrichtungen, die das Veranstalten von Konzerten erleichtern und den Ärger mit den Nachbarinnen und Nachbarn verringern würden, gehören nicht zum Bestand des Unikums. Eine Klimaanlage, die gerade für die gut besuchten Unikums-Partys dringend notwendig und auch finanzierbar wäre, kam dem AStA bisher wohl auch nicht in den Sinn. Ob nun auf den aktuellen AStA die alte Volksweisheit »Böse Menschen kennen keine Lieder« zutrifft, ob er also unfähig oder nur unwillig ist, diesen Zustand zu ändern, wissen wir nicht und es ist uns auch völlig schnurz: die LiLi hätte große Lust, die kulturelle Lethargie an der Uni Köln zu beenden. Als AStA hätte man eben auch die Möglichkeit den für einige Studentinnen und Studenten nicht so leicht erschwinglichen Veranstaltungen in der Stadt ein preiswerteres und vielfältigeres Angebot entgegenzusetzen. Will man den unglücklichen Raumstreitigkeiten mit der Studiobühne ausweichen, wird man nicht umhinkommen, eine neue Räumlichkeit, die eben nur für die StudentInnenschaft zur Verfügung steht, aufzutun, statt darüber zu jammern, dass früher alles besser war und die Theaterleute so gemein sind. Abwegig oder größenwahnsinnig ist diese Idee nicht, in anderen Städten wurde das von clevereren studentischen VertreterInnen als den hiesigen längst umgesetzt. Zudem wollen wir im Gegensatz zu anderen Gruppen auch gar nicht den Eindruck vermitteln, wir würden tagein tagaus in irgendwelchen politischen Gremien der Uni über Studienordnungen diskutieren, Bündnistreffen besuchen, Flugblätter schreiben oder kämpferische Reden schwingen. Für uns gehören Konzerte, Kino- und Theaterbesuche oder Partys genauso zur Lebensqualität wie ein gutes Glas Wein oder ein schlaues Buch. Deswegen würde ein AStA mit unserer Beteiligung versuchen, den studentischen Alltag mit allerlei kulturindustriellem Gut erträglicher zu gestalten. Wenn ihr nun unsere Ideen nicht völlig unsympathisch findet, könnt ihr uns an einer Wahlurne eure Stimme geben, uns während der Wahlwoche und gern auch danach an der Uni ansprechen, mit einer leeren E-Mail an lili-news-join@uni-koeln.de unseren Newsletter abonnieren und so immer über aktuelle Pläne und Entwicklungen informiert werden oder einfach mal zu einem unserer Treffen kommen: jeden Dienstag, 19.30 Uhr gibt es in Raum C, Universitätsstr. 16b (über der Studiobühne) Gelegenheit dazu.